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6. März 2007, Prof. Dr. Bernhard Streck, Universität Leipzig/Institut für Ethnologie
...Die Akteure haben mit Ihrem Schaum vor dem Mund sich den Krankheiten jener
Zeit eindrücklich angenähert. Ob damit auch ein Verstehen des
nationalen Fetischismus, der dem internationalen vorausging, erreicht
wird, muss offen bleiben. Ethnologen unterliegen ja, je mehr sie sich
für andere Räume interessieren, umso hilfloser zeitgeschichtlichen
Prägungen. Immerhin haben es die NS-Ethnologen fertig gebracht,
eine innere Zerstrittenheit zu offenbaren, die es weder in anderen
Fachkreisen, noch in NS-Zirkeln gegeben hat. Leider lässt das Stück
jeden Respekt vor den "eigenen" Toten vermissen. Hoffen wir, dass
unsere Nachgeborenen gnädiger mit uns umgehen und unsere
wirklichen Leistungen erinnern, nicht nur die Abgründe und
Nachtseiten. Die Lehre Ihrer Collage für heutige Studierende ist doch,
um die Werke von Krickeberg, Baumann, Thurnwald und Mühlmann
einen Bogen zu machen. So stirbt eine Kultur - durch Emanzipation. ...
Antwort: 28. März 2007, Dr. Cristian Alvarado
... Es ist, wie Sie wissen, in der deutschsprachigen Ethnologie lange unterblieben,
die "Abgründe und Nachtseiten" unserer Ahnen aufzuzeigen als auch die ethische
Verantwortung unserer Arbeit anzuerkennen. So können die Leistungen unserer
Ahnen ohne Berücksichtigung des nationalsozialistischen Kontextes für
Studierende dokumentiert werden, etwa in den Artikeln zu Baumanns und
Thurnwalds Arbeiten in dem Sammelband "Hauptwerke der Ethnologie" (Feest/Kohl
2001).
Ich denke nicht, dass das Lehrstück deren ethnologischen Leistungen zerstört,
wenn es ihre "Nachtseiten" vermittelt. Das Faszinierende an der deutlich
werdenden Konstellation der Fremdzerstörung und des Fremdverstehens motiviert
hoffentlich dazu, sich mit der einheimischen Forschungstradition, mit ihren
Ambivalenzen, Leistungen und Nachtseiten eigenständig weiterzubeschäftigen.
Die Performance als Kulturzerstörung zu bedauern, mag darüber hinwegsehen, sie
als Anreiz zur kritischen Beschäftigung mit unserer Tradition zu verstehen,
wodurch Neues aus Altem entstehen könnte. Da es sich beim "Fall Krickeberg" m.
E. um ein Lehrstück zur Ethnologie im NS handelt, erweist die Performance im
eigentlichen Wortsinne ihren Respekt - als Zurückblicken auf unsere Ahnen. Dass
aber eine Repräsentation antisemitischer Äußerungen und Haltungen respektvoll
sein könnte, ist fragwürdig. ...